Kultur und Tradition: Das authentische Ibiza mit der Familie entdecken

Ibiza war, genau wie seine Ton- und Kalksandsteinböden, immer durchlässig für die Kultur der Völker, die die Insel geprägt haben, und hat so eine einzigartige Identität entwickelt, die in der Folklore, Architektur und der traditionellen Gastronomie fortbesteht. Während eines Urlaubs auf Ibiza kann man die authentische Seite der Insel kennenlernen, während man auf Entdeckungsreise mit dem Auto ist, am Tisch in einem traditionellen Restaurant sitzt oder die Feststimmung bei den Patronatsfesten in den Dörfern der Insel genießt.
Ibizas Folklore: Tanz, Trachten und Musik
Phönizier, Karthager, Römer, Araber, Westgoten, Katalanen: Die ibizenkische Folklore speist sich aus all diesen Kulturen, die ihre Spuren auf der Insel hinterlassen haben und deren eindrucksvollste Verkörperung wahrscheinlich der ball pagès (Bauerntanz) ist, der traditionelle Tanz, den man seit Urzeiten in den ländlichen Gegenden Ibizas aufführt und dessen Ursprung nicht mit Sicherheit bekannt ist. Dieser Tanz wurde auf Hochzeiten, beim Erntefest und selbstverständlich bei den Patronatsfesten aufgeführt. Es macht Freude, diesen Tanzaufführungen während des Sommerurlaubs beizuwohnen, wenn sie während der Dorffeste oder bei wöchentlichen Veranstaltungen stattfinden, wie beispielsweise Donnerstagnachmittags vor der Kirche in Sant Miquel.
Es gibt verschiedene Variationen des Volkstanzes auf Ibiza, aber immer tanzt die Frau kreisförmig um den Mann herum, den Blick starr auf den Boden gesenkt, während sie mit sanften Trippelschritten imaginäre Kreise beschreibt. Der Mann wiederum vollführt große Sprünge und wirft die Beine in die Höhe, während er auf großformatigen Kastagnetten spielt, den sog. castanyoles. Beim ball pagès bekommt man auch eine Kostprobe der traditionellen ibizenkischen Musik, deren Grundlage althergebrachte Tonfolgen mit arabischen und katalanischen Einflüssen sind. Zu den traditionellen Instrumenten gehören Trommel, Flöte, der espasí, ein schwertförmiges Metallstück, die bereits erwähnten castanyoles und die xeremía, ein Blasinstrument, das aus zwei Schilfrohren besteht.
Traditionelle ibizenkische Kleidung
Die landestypische Kleidung Ibizas ist sowohl durch Funktionalität bei der täglichen Arbeit auf dem Land als auch durch die kulturelle Symbolik der Insel geprägt, das zeigt sich besonders bei der weiblichen Festkleidung. Diese besteht aus verschiedenen, übereinander getragenen Kleidungsstücken, zu denen eine weiße Baumwollbluse und ein langer Rock in Schwarz, Weiß, Blau, Braun oder Grün gehören, unter dem mehrere Unterröcke getragen werden. Auf dem Kopf trägt man ein Kopftuch und über die Schultern ein Tuch oder eine Mantilla. Geschmückt wird die Bekleidung mit der sog. emprendada, das ist außergewöhnlicher, symbolträchtiger Schmuck von uralter Herkunft, der aus einem Ensemble von zahlreichen Halsketten aus Silber und Koralle oder aus Gold besteht, an dem ein Medaillon mit dem Bildnis der Heiligen Jungfrau befestigt ist. Zu sehen ist auch die sog. anellada, ein Ensemble aus Goldringen, die an den Fingern getragen werden, ein Geschenk des zukünftigen Bräutigams zur Verlobung.
Die männliche Tracht ist einfacher und funktioneller. Sie besteht aus einem weißen Leinenhemd, einer weißen Hose, einer roten Bauchbinde, einem seidenen Halstuch, einer Filzmütze und einer mit Silberknöpfen und Kettchen verzierten Weste. Im Winter ist die Hose schwarz und es wird zusätzlich ein kurzes, ebenfalls schwarzes Jäckchen getragen. Sowohl Männer als auch Frauen tragen an den Füßen sog. espardenyes, ein kunsthandwerklich hochwertiger Schuh, der aus Pitahanf und Espartogras gefertigt wird.
Ibizenkische Gastronomie: Die Tradition sitzt mit am Tisch
Die ibizenkischen Rezepte stellen einen der großen kulturellen Reichtümer der Insel dar und hierzu gehören auch die Produkte, die auf der Insel und um sie herum angebaut bzw. im Meer gefischt werden. Die inseltypischen Gerichte wurden durch die Lage der Insel im Mittelmeer, die Geschichte Ibizas und die Bräuche der unterschiedlichen Kulturen geprägt, die auf der Insel gelebt haben. Die Küche zeichnet sich durch die Verwendung frischer, einheimischer Produkte, intensive Aromen und eine Schlichtheit aus, die an Zeiten erinnert, als der Tisch nicht so reichhaltig gedeckt war.
Aromen vom Feld und aus dem Meer
In der ibizenkischen Küche gibt es reichlich Fisch, insbesondere Felsfische, und Meeresfrüchte: Zackenbarsch, Meerbarbe, Sepia, Tintenfisch, Rote Garnele, Languste, Rochen, Seeteufel, Schnauzenbrasse bzw. Gerret, Schermesserfisch bzw. Raor, Zahnbrasse, Meerbrasse, Roter Drachenkopf bzw. Rotja, Petersfisch, Seegurke bzw. Espardenyes, Bernsteinmakrele oder Zitronenfisch, Goldbrasse, Wolfsbarsch, Oktopus und vieles mehr. Diese werden auf dem Grill, im Ofen oder in traditionellen Schmortopfgerichten zubereitet, wie das beliebte bullit de peix (mit Kartoffeln gekochter Fisch, der mit einer leichten Allioli-Sauce und im zweiten Gang mit im Fischsud gegartem Reis serviert wird), borrida de ratjada (Rocheneintopf), mit Sobrasada-Wurst gefüllter Tintenfisch oder frita vom Oktopus oder der Sepia. Außerdem gibt es viele Gerichte, bei denen Gemüse die Hauptrolle spielt, wie der Bauernsalat, der mit den zarten und schmackhaften roten Kartoffeln aus Ibiza zubereitet wird, Bohneneintöpfe oder auch die coca, eine Art Pizza, belegt mit roter Paprika in Steifen. Nicht fehlen dürfen dabei die mit Schweinefleisch zubereiteten Gerichte, wie der Schlachtreis (arroz de matanzas) oder sofrit pagès, ein mächtiges Wintergericht, das mit Hühnchen-, Lamm- und Schweinefleisch sowie den ibizenkischen Wurstspezialitäten sobrasada und butifarró zubereitet wird.
Ein süßes Ende
Am Schluss dieser kurzen Reise durch die gastronomische Kultur und Tradition Ibizas steht –natürlich– das Dessert. Während eines Urlaubs auf Ibiza muss man unbedingt flaó probieren, ein besonderer Kuchen aus Schafsfrischkäse und Pfefferminze, greixonera, eine Art Pudding, der mit dem Fettgebäck ensaimada zubereitet wird, orelletes, ein süßes Gebäck mit Zitronen- und Anisaromen, das bei Festen nicht fehlen darf. Auf den Sommer anstoßen kann man mit einem Glas hierbas ibicencas, ein traditioneller Kräuterlikör, der auf Grundlage von etwa zwanzig einheimischen Zutaten wie Rosmarin, Thymian, Gartenraute, Pfefferminze, Wacholder und Zitronenbaumblättern zubereitet wird.
Ibizenkische Architektur: Jahrhundertealte Weisheit
Die traditionelle ibizenkische Architektur zeichnet sich dadurch aus, dass sie perfekt an die natürliche Umgebung angepasst ist und sich im Laufe der Jahrhunderte kaum verändert hat. Die Materialien und Formen geben orientalische Einflüsse wieder und entsprechen den Bedürfnissen des Landlebens auf der Insel. Besonders hervorzuheben ist ihre Schlichtheit, die Funktionalität und der Schutz vor der Hitze und dem trockenem Klima. Bei einem Spaziergang über die Insel lässt sich leicht beobachten, dass die verwendeten Materialien vor allem Stein, Sadebaumholz, Kalk und Gips sind, mit denen die Wände verputzt wurden, da sie isolierend und desinfizierend wirken.
In baulicher Hinsicht besitzen traditionelle ibizenkische Bauernhäuser sehr dicke Außenmauern, die das Innere des Hauses vor den hohen Temperaturen im Sommer und der Kälte im Winter schützen. Die Flachdächer bestehen aus mehreren Schichten trockenen Posidonia-Seegrases und auf ihnen konnte man sowohl Obst dörren als auch Regenwasser über kleine Kanalisationen auffangen. Die kleinformatigen Fenster dienten dazu, dass es im Haus kühl bleibt und die modulartige Zusammensetzung von verschiedenen Blöcken ermöglichte es, dass die Häuser den Bedürfnissen entsprechend „mitwachsen“ konnten, indem immer neue kastenförmige Bauten an das Hauptmodul angebaut wurden, wenn die Familie größer wurde und mehr Platz brauchte.
Der porxo, ein typisch ibizenkisches Wohnzimmer
Das Bauernhaus wurde um einen überdachten Innenhof, den sog. porxo gebaut. Dieser war der wichtigste Raum und diente gleichzeitig als Eingangsbereich, Arbeitsraum und Treffpunkt. Normalerweise war er nach Süden hin ausgerichtet, besaß eine rechteckige Form und man betrat ihn direkt durch die Eingangstür zum Haus. Daran angrenzend lagen die Küche und die sog. cases de jeure, d.h. die Schlafzimmer. Gut situierte Familien leisteten sich ein oberes Stockwerk und in diesem den sog. porxet de dalt, eine Art Galerie mit drei Rundbögen, in der Obst und Gemüse gedörrt wurden. Zum Bauernhaus gehörten weitere Anbauten wie die Stallungen, der Unterstand für den Pferdekarren und das Werkzeug, die sog. trull (Ölmühle) und die casa del vi (Weinkeller). Wunderbare Beispiele dieser Architektur kann man im Ethnografischen Museum von Ibiza in Santa Eulària und in Ca’n Andreu des Trull in Sant Carles bestaunen und so aus nächster Nähe alle traditionellen Elemente der landestypischen ibizenkischen Häuser kennenlernen.